Über die Veranstaltung
Im Sinne der Bereitstellung aller Infrastrukturen und Güter, die für ein würdiges menschliches Leben existenzielle Bedeutung aufweisen, ist die allgemeine Daseinsvorsorge eine zentrale Aufgabe des modernen Staates einschließlich der Kommunen. Historisch wurde diese Aufgabe, bezogen auf unterschiedliche Bevölkerungen und auf die Definition dessen, was als existenziell galt, äußerst selektiv und paternalistisch wahrgenommen. Der Neoliberalismus bewirkte schließlich einen staatlichen Rückzug aus vielen Aufgaben der Daseinsvorsorge und deren Privatisierung.
Laut dem Foundational Economy Collective, das die „Ökonomie des Alltagslebens“ erforscht, handelt es sich bei der Daseinsvorsorge um den „alltäglichen Kommunismus, der unserem alltäglichen Kapitalismus unterliegt und ihn erst ermöglicht“. Denn der Kapitalismus gründet auf existenziellen Infrastrukturen, die ihm nicht nur der Staat, sondern wir alle zur Verfügung stellen.
Der von uns gewählte Begriff der Daseinsfürsorge weitet das klassische Verständnis öffentlicher Aufgaben aus: auf Aspekte sozialer Fürsorge und eines Sich-Kümmerns um Andere; auf ein intersektionales Konzept der Gerechtigkeit, das Mehrfachdiskriminierungen aufgrund von race, Geschlecht, Klasse, sexueller Orientierung, Gesundheit oder Alter bekämpft; auf die Verantwortungsübernahme für postkoloniale globale Verhältnisse. Anderthalb Jahrhunderte nach dem Ende der Pariser Kommune diskutieren wir, wie und ob deren Forderung nach einem „Luxus für alle“ in die Gegenwart übersetzt und auf die globale urbane Welt ausgedehnt werden könnte.
Über die Veranstaltungsreihe
In Städten wie Berlin wird nach Möglichkeiten und Grenzen des gemeinsamen Gestaltens der öffentlichen Räume, des kollektiven Konsums und der gesellschaftlichen und ökologischen Ressourcen gefragt: Wie lässt sich Stadt in ihrer Pluralität, Diversität und Dynamik als gemeinsamer Raum verstehen und gestalten? Wie können für alle Bewohnenden gleiche Rechte auf Teilhabe hergestellt werden?
Gemeinsam mit Akteur:innen aus Berlin, die fundamentale stadtgesellschaftliche Transformationen mit Blick auf neue Formen eines Miteinanders und einer allgemeinen Daseinsfürsorge erproben, wollen wir solche Fragen öffentlich ausloten.
14:00 Uhr
DASEIN_FÜR_SORGE. Eine Einführung
Sorge, Mit-sein, Mit-Teilung: Von Heidegger zu Nancy
von Sabrina Dittus
14:30 Uhr
Politische Bildung als kollektive Praxis der Selbstermächtigung
Eine Sprechübung mit Petra Barz (dock Europe, Hamburg)
Pause
16:00 Uhr
Platz für Selbst- und Lebenssorge:
Erzählungen aus dem Berliner Alltag
Pflegende Angehörige: Herbert Probst (Bezirksseniorenvertreter, Berlin)
Recht auf Gesundheitsversorgung für Alle: Jeannie Moser (Medibüro Berlin)
Care Revolution: Charlotte Hitzfelder
17:00 Uhr
Postwachstumsökonomien des Alltags
Input und Diskussion mit Hanna Völkle (Harriet-Taylor-Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung) und Simin Jawabreh (Aktivistin und Bloggerin)
17:45 Uhr
Beendigung der 1. Staffel der Veranstaltungsreihe ‘Gemeine Stadt’